Konjunkturprogramme

Über staatliche Konjunkturprogramme

(2005)

von
Harald Wozniewski

Um der Krise der Volkswirtschaft, insbesondere um der Arbeitslosigkeit zu begegnen, werden vielfach staatliche Konjunkturprogramme vorgeschlagen. Der Staat und die Kommunen sollen verstärkt Geld ausgeben, um so die Binnenwirtschaft zu beleben. Die damit verbundene zusätzliche Staatsverschuldung würde durch die nachfolgende Belebung der Binnenwirtschaft und der damit verbundenen höheren Steuereinnahmen wieder ausgeglichen. Gegner der Konjunkturprogramme behaupten dagegen, dass diese nichts als Strohfeuer seien. Einer der Vertreter der staatlichen Konjunkturprogramme ist Albrecht Müller.

Albrecht Müller wendet sich in seinem Buch "die Reformlüge - 40 Denkfehler, Mythen und Legenden, mit denen Politik und Wirtschaft Deutschland ruinieren", München 2004, in dem Kapitel "Denkfehler 15: 'Konjunkturprogramme sind Strohfeuer'", S. 197 ff., gegen die immer wieder propagierten Behauptungen aus neoliberalen Kreisen: die staatlichen Konjunkturprogramme seien Strohfeuer gewesen, diese Programme hätten den Weg in die Schuldenfalle des Staates geöffnet, sie hätten nicht gewirkt und so weiter. Müller legt ausführlich dar, dass die in den 1970er Jahren praktizierten Konjunkturprogramme durchaus erfolgreich waren vor allem auch die - damals zu heute verhältnismäßig geringe - Arbeitslosigkeit senken konnte. Müller schließt mit den Worten: "Konjunkturprogramme sind kein Strohfeuer, wenn sie zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Sie sind aber auch nicht alleinseligmachend. Der Kampf der ökonomischen Schulen - hier Angeboteökonomen, dort Keynesianer - ist eine sinnlose Konfrontation, weil sie den Blick auf die notwendigen Maßnahmen verstellt. Sie hat unser Land in der letzten zweieinhalb Jahrzehnten schon sehr viel gekostet. Es ist höchste Zeit, dass wir Schluss machen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und zu einer Optimierung der Wirtschaftspolitik kommen. Optimierung heißt dabei, zu gegebener Zeit aus dem großen Arsenal der wirtschaftspolitischen Instrumente die Mischung auszuwählen, die der aktuellen Sachlage angemessen ist. Optimierung heißt dann auch, dass man in guten Zeiten weniger ausgibt als man einnimmt und Schulden abgebaut."

Aus meiner ganz eigenen Ansicht über unsere Volks- und Geldwirtschaft (http://www.dr-wo.de/schriften/index1.htm) komme ich zu dem kuriosen Ergebnis, dass sowohl Müller und die anderen Vertreter der staatlichen Konjunkturprogramme (z. B. Oskar Lafontaine*) als auch deren Gegner zugleich Recht als auch Unrecht haben. Es ist unbestreitbar, dass der Staat eine lahmende Konjunktur in Gang bringen kann, wenn ein Güter- oder Arbeitskräfte-Überangebot besteht, indem er Geld in die Volkswirtschaft einbringt. Insoweit haben die Vertreter staatlicher Konjunkturprogramme vollkommen Recht. Müller und die anderen Vertreter der Konjunkturprogramme hätten auch mit ihrer Behauptung Recht, dass man mit Konjunkturprogrammen auch dauerhaft Erfolg haben könne, wenn deren Annahmen über die Funktionsweise unserer Volkswirtschaft zutreffen würde.

Wie ich in meinem Aufsatz "40 Jahre Nilpolitik" (http://www.meudalismus.dr-wo.de/html/nilpolitik.htm) ausgeführt habe, wird unsere Volkswirtschaft als im Großen und Ganzen ausgeglichen angesehen. Man meint, die Einkommen der Menschen seien - lediglich von wenigen, nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmen abgesehen - einigermaßen ausgeglichen, so dass - notfalls nach einem kleinen Anstoß mit einem staatlichen Konjunkturprogramm - im Grunde überall genügend Geld vorhanden sei, um die Konjunktur dauerhaft am Leben zu erhalten - eben so, als gäbe es bei uns keine Vermögenskumulationen:

Es wird allerdings völlig übersehen, dass in unserer Volkswirtschaft längst kein breiter, halbwegs ausgeglichener Geldfluss mehr herrscht, wo das Geld ständig wieder in der Weise ausgegeben würde, sondern ein Gebilde, das man besser als den Nil in der Wüste beschreibt:

Nur Wenige werden von einem mächtigen Geldstrom versorgt. Die breite Bevölkerung sitzt auf dem Trockenen in der Wüste. Näheres hierzu in meiner Studie "Wenn das Geld fliet wie der Nil in der Wüste" (http://www.meudalismus.dr-wo.de/html/nil.htm).

Die Vertreter der staatlichen Konjunkturprogramme übersehen vor allem, dass das Geld, das sie in die breite Bevölkerung zu streuen gedenken, schon am nächsten Tag in den Kassen unserer Superreichen landet und von dort eben nicht wieder in die breite Volkswirtschaft zurück gelangt.

Deshalb liegt die Volkswirtschaft übermorgen schon wieder so am Boden wie heute (vgl. “Einsamer Reichtum basiert auf der Verarmung der Bevölkerung” http://www.meudalismus.dr-wo.de/html/reichtum.htm). Die Behauptung, staatliche Konjunkturprogramme seien Strohfeuer, weil deren Wirkung bereits nach kürzester Zeit verpufft, ist (leider) zutreffend.

Mein Einwand heißt nicht, dass die Gegner der staatlichen Konjunkturprogramme Konzepte anbieten würden, die der breiten Bevölkerung dienlicher wären. Im Gegenteil: Meist handelt es sich um Vertreter neoliberaler Ansichten, die sich dafür einsetzen, den Reichtum der Superreichen auf Kosten der breiten Bevölkerung noch mehr zu heben. Denn längst sehen dieser Vertreter in den Konjunkturprogrammen keinen Vorteil mehr für sich selbst bzw. ihr Unternehmen. Sie befürchten vielmehr, die staatlichen Konjunkturprogramme mit höheren Steuern persönlich tragen zu müssen. (Anmerkung vom 10.1.2006: Wenn dieser Tage die große Koalition ein Konjunkturprogamme über 25 Mrd. Euro beschließt, dann wohl (nur oder auch?) deshalb, weil die Superreichen in letzter Zeit merken, wie die Einnahmen in ihren Kassen (Karstadt und einige andere) nachlassen und sie deshalb ihren Widerstand gegen ein Konjunkturprogramm aufgegeben haben.)

Staatliche Konjunkturprogramme hätten dann eine dauerhafte Wirkung, wenn gewährleistet wäre, dass das eingesetzte Geld nicht in die Kassen der Superreichen gelangen könnte. Das Geld muss bei der breiten Bevölkerung bleiben, sonst verpufft jedes Konjunkturprogramm in der Luft - heute schneller als in den 1970er Jahren.

vgl. Moderner Feudalismus in Deutschland:
Die Begrenzung von gewinnbringendem inländischem Vermögen!

Leider zählt dies nicht zu den notwendigen Maßnahmen, von denen Albrecht Müller* oben spricht


* Ich habe Albrecht Müller am 23.2.2005, später auch Oskar Lafontaine, um eine Stellungnahme gebeten und ihnen angeboten, ihre Stellungnahme hier mit zu veröffentlichen. (Anmerkung vom 10.1.2006: Weder Albrecht Müller noch Oskar Lafontaine haben bis heute hierauf geantwortet. / Anmerkung März 2007: Mit E-Mail vom  14.12.2006 antwortete Albrecht Müller u. a.: “Wenn ich gemeint sein sollte, dann muss ich erstens darum bitten, zu verstehen, dass wir mit Mails richtig zugeschüttet werden und deshalb mit der Beantwortung nicht nachkommen. Zweitens habe ich im konkreten Fall Ihren Beitrag zu den Konjunkturpogrammen einfach nicht verstanden. Dann kann ich mich auch nicht damit auseinandersetzen. Ich kann aber neben der sonstigen vielen Arbeit nicht auch  noch eine volkswirtschaftliche Schulung versuchen. Das geht über meine Kräfte.”)

 

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